In diesen Wochen inmitten der Vielzahl an Auto-Neuvorstellungen haben es die Modelle schwer sich behaupten, die nur eine Überarbeitung für die zweite Hälfte ihres Lebenszyklus vorweisen können. Bei den Neukonstruktionen sinkt das Gewicht um 50 Kilogramm, wenn nicht gar um 100 Kilogramm. Bei einem Facelift funktioniert das nicht. So lautet die Botschaft für den neuen Ford Focus: Wir sind nicht schwerer geworden. Doch wer jetzt die Nase rümpft, handelt voreilig.
Der Ford Focus hat sich schon mit seiner ersten Auflage 1998 den Ruf erworben, in Sachen Fahrdynamik unter den Kompakten die Richtung vorzugeben. Der Neue wird diesem Ruf gerecht; er legt sogar noch zu. Seine Lenkung geht butterweich und ohne spürbaren Übergang vom Geradeauslauf in die Kurve und vermittelt den Kontakt zu Straße, so wie es die Kritiker immer verlangen. Sie arbeitet feinfühlig und sehr präzise. Dahinter stecken eine Menge Feinarbeit an der elektromechanischen Servolenkung und ein paar Kilogramm für Elemente, die den Vorderwagen versteifen und so härtere Lager an den Querlenkern der Vorderachse und eine überarbeitete Kombination von Dämpfung und Federung ermöglichen.
So bügelt der Focus grobe Unebenheiten in der Fahrbahn sehr viel besser weg, als man es von Seinesgleichen gewohnt ist, auch immer wieder einmal abgesackten Fahrbahnen auf den Landstraßen in den Bergen nördlich der spanischen Küstenstadt Malaga. Hier – auf engen Fahrbahnen mit engen Kurven – hat sich der Focus unseren Respekt erarbeitet mit Agilität und hohen Kurvengeschwindigkeiten, der geringen Wankneigung und einer erst spät auftretenden Tendenz zum Untersteuern, die von der ESP auch mit einer neuen Software namens Enhanced Transitional Stability (ETS) zuverlässig unterdrückt wird. Das Ergebnis ist ein Fahrverhalten, dass sich irgendwo zwischen sportlich und souverän einordnet. Zum sportlichen Charakter passt das eng abgestufte, butterweich zu schaltende Sechs-Gang-Getriebe.
Nur Seifenkisten zeigen Kurvenverhalten ohne Antrieb. Ford bietet für seinen Focus drei Diesel- und drei Benzinmotoren, alle mit Euro6-Werten und Start-Stopp-System und alle mit niedrigerem Verbrauch. Darunter sind neue 1,5 Liter-Vierzylinder: der TDCi-Turbodiesel in zwei Leistungsstufen (70 kW / 95 PS und 88 kW / 120 PS), die man auch mit der Sechs-Gang-Powershift-Automatik kombinieren kann sowie der 1,5 Liter Ecoboost Benziner mit 110 kW / 150 PS 134 kW / 182 PS. Der stärkere der beiden Benziner hat uns in den Bergen mit gleichmäßiger Kraftentfaltung, seidenweichem Lauf und gutem Durchzugvermögen aber auch mit dem geringen Geräuschniveau überzeugt. Aber das geringe Innengeräusch ist nicht nur für diesen Motor typisch. Im Focus arbeiten sie alle deutlich leiser als im alten. Auch das hat sicher ein paar Kilogramm Zusatzgewicht gebracht, die anderswo wieder eingespart werden mussten.
Doch wirklich überraschen konnte uns ein alter Bekannter: der Drei-Zylinder-Benziner mit 92 kW / 125 PS. Er lässt den Focus zu einem ausreichend motorisierten Benziner werden, dessen Daten sich Werten größerer Diesel annähern. Wobei „ausreichend“ dieses Mal nicht als Fast-Kritik, sondern als Kompliment gemeint ist. In der Zusammenarbeit mit dem Handschalter erwies er sich – trotz seines kleinen Hubraums – als erstaunlich elastisch. Unsere Bergetappen konnten wir oft sogar ganz im dritten Gang abwickeln. Der reichte von 30 km/h bis fast 100 km/h.
Der kleine Ecoboost bringt zu seinen 92 kW / 125 PS 170 Newtonmeter (Nm) Drehmoment bei 1400 Umdrehungen pro Minuten (U/min) mit, schafft den Standardsprint in elf Sekunden, erreicht 193 km/h Höchstgeschwindigkeit und verbraucht im Schnitt 4,7 Liter auf 100 km. Der 1,5 l TDCi leistet 88 kW / 120 PS, bringt 270 Nm ins Spiel, beschleunig in 10,6 Sekunden von 0 auf 100 km/h, erreicht ebenfalls gut 190 km/h und verbraucht im Schnitt 3,8 Liter auf 100 km. Und bei den rund 1500 Euro Kaufpreis-Unterschied muss man lange fahren, um für den Diesel die berühmte schwarze Null zu erreichen, theoretisch rund 100 000 Kilometer. Aber soll doch jeder nach seiner Facon selig werden. Uns hat auch der Diesel gefallen, schon wegen seines – in den Bergen sehr geschätzten – höheren Drehmoments.
Im Innenraum hat sich bei der Modellpflege augenscheinlich etwas getan: Die Vielzahl der Knöpfe und Schalter gerade im oberen Bereich der Mittelkonsole rund um den Bildschirm herum ist verschwunden und einem übersichtlicheren Bedienkonzept gewichen, das auf den Betrachter und vermutlich auch auf den Fahrer beruhigender wirkt als beim Vorgänger. Von dem haben die Kölner aber leider wieder das kleinteilige Zentraldisplay zwischen den beiden Rundinstrumenten im Blickfeld des Fahrers übernommen. So werden die lobenswert vielen Sicherheits- und Komfortsysteme unter Preis verkauft.
Dabei hätte Ford hier gar keinen Grund zur Zurückhaltung. Denn das Angebot ist für ein Fahrzeug dieser Klasse sehr komplett und gereichte auch wesentlich höher angesiedelten Modellen zur Ehre. Das passt auf der einen Seite zur Ford-Politik der „Demokratisierung“ der Fahrer-Assistenzsysteme hin zur erweiterten Spracherkennung und auf der anderen Seite zur Neigung der Ford-Kunden zur besseren Ausstattung. Nur fünf Prozent greifen zur einfacheren Ausstattung „Ambiente“, bei „Trend“ sind es schon 25 Prozent, bei „Business“ weitere 15 Prozent, bei der Topausstattung „Titanium“ aber satte 55 Prozent.
Bezeichnenderweise nennen Fachleute die übliche Modellpflege in der Mitte eines Produkt-Lebenszyklus ein „Facelift“. In vielen Fällen geschahen in der Vergangenheit dabei eben nicht mehr als ein paar kosmetische Retuschen. Den Focus dort einzuordnen, wäre ungerecht. Unter dem Blech tat sich mehr, als bei manch anderem Facelift. Dabei hat aber auch das Blech Aufmerksamkeit verdient; denn der Focus hat deutlich an Statur gewonnen. Er wirkt selbstbewusster und dynamischer, wie unsere Ausfahrt in die Berge zeigte, zu Recht. (ampnet/Sm)
Daten Ford Focus 1,0 l Ecoboost 5türer Titanium
Länge x Breite x Höhe (in m): 4,36 x 1,82 (mit Außenspiegeln 2.01) x 1,48
Radstand (m): 2,65
Motor: R3-Benziner, 998 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 92 kW / 125 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 170 Nm von 1400 – 4500 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 193 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 11,0 Sek.
ECE-Durchschnittsverbrauch: 4,7 Liter; Effizienzklasse A
CO2-Emissionen: 108 g/km (Euro 6)
Leergewicht / Zuladung: min. 1295 kg / max. 655 kg
Kofferraumvolumen: 476 l erweiterbar auf 1516 l
Max. Anhängelast: 1200 kg
Räder / Reifen: 7,0 J 17 / 215/50 R 17
Preis: Euro 23.800