Klassenkampf auf der A2: Der Passat wechselt auf die mittlere Spur. Als wir auf seiner Höhe sind, gibt er Vollgas und will wieder auf unsere Spur. Kurz darauf dasselbe Spiel mit einem optisch aufpoliertem Fünfer BMW. Sobald er uns durchgelassen hat, hängt er sich an unsere Stoßstange – und so weiter. Es darf eben nicht sein, dass ein Kompakter wie ein Opel Astra die Mittelklasse abhängt.

Dabei hätte sich die automobile Klassengesellschaft doch längst daran gewöhnt haben müssen, dass Größe allein noch nicht überlegene Fahrleistungen bringt. Seit den Siebziger Jahren turnen Autos wie die GTI um die Großen herum. Aber die Erfahrung auch auf anderen Autobahnen zeigt uns mal wieder, dass ein Astra in diesen höheren Geschwindigkeitsbereichen nicht gern gelitten ist.

Unser Opel Astra 1.6 Sidi Turbo Sports Tourer bringt es immerhin auf eine Spitzengeschwindigkeit von 220 km/h, und das Tempo 100 erreicht er nach 8,8 Sekunden Spurt. Von den Fahrleistungen her gehört er also in die Liga der Wenig-Wohlwollenden auf der A2. Und er verhält sich auch bei höheren Geschwindigkeiten ebenso ruhig und souverän wie die. Zu keiner Zeit erweckt er das Gefühl, er sei übermotorisiert oder seiner Leistung nicht gewachsen. Er zeigt beim Fahrverhalten die Gelassenheit, die erwarten lässt, dass er noch mehr vertragen könnte.

Nur bei höheren Geschwindigkeiten wird es ein bisschen lauter, was man in vielen modernen Kompakten ebenso erleben kann. Dafür rollt der Astra Sports Tourer in den unteren Geschwindigkeitsbereichen so leise wie ein aktuelles Premium-Mobil. Es sind die Windgeräusche und nicht der 1,6-Liter Sidi-Turbo (Spark Ingnition Direct Injection). Der trägt mit seinem niedrigen Geräusch und der nahtlosen, scheinbar mühelosen Kraftentfaltung eher zu dem souveränen Gesamteindruck des Astra bei.

Da er nicht nur 125 kW / 170 PS, sondern das für einen Benziner dieses Hubraums auch das bemerkenswert hohe Drehmoment von 280 Newtonmetern in dem breiten Band von 1800 bis 320 Umdrehungen pro Minute (U/min) bietet, hat er das Zeug zum Spaßmacher. In Verbindung mit dem Sechs-Gang-Handschalter mit sportlich kurzem Knüppel und passend kurzen Schaltwegen kommt Freude auf. Nur der sechste Gang braucht ein wenig Nachdruck und sorgt, einmal eingelegt, mit seiner recht langen Übersetzung fürs niedrige Drehzahlniveau bei hohen Geschwindigkeiten.

Da schon ab 1400 U/min neun Zehntel des maximalen Drehmoments anliegen, wehrt sich der Motor auch nicht gegen das Bummeln mit niedrigen Drehzahlen, was ebenso wie die Getriebeabstimmung und die Start-Stopp-Automatik zum Durchschnittsverbrauch von 6,1 Litern auf 100 km beiträgt. In der Praxis lag unser Verbrauch zwischen acht und – auf dem Spurt längs der A2 – knapp zehn Litern, was dem Motor bei den erzielten Fahrleistungen noch zur Ehre gereicht. Opel hat mit den neuen Sidi-Motoren einen spürbaren Schritt nach vorn gemeistert.

Der Innenraum bietet Besitzern auch größerer Fahrzeuge keinen Grund für Überheblichkeit. Er präsentiert sich modern und hochwertig. Die schwungvolle Gestaltung der Armaturentafel mit der bis in die Türen hineinreichenden sogenannten „Wrap-around-Linie“. Die Materialien und die Qualität der Verarbeitung passen ebenso in die Welt wie die gut ablesbaren zwei großen und zwei kleinen klassischen Rundinstrumente, die den Bildschirm des Bordcomputers umgeben. Die Mittelkonsole mit dem Bildschirm fürs Infotainment und die vielen Schalter und Regler bewegt sich allerdings an der Grenze zum Opulenten, die Bedienung will zunächst einmal gelernt werden.

Intuitiver geschieht das Bedienen über die Knöpfe des dicken Multifunktions-Lederlenkrads mit drei Speichen. Die konturierten Sitze und das Schwarz des Innenraums geben dem Astra den Hauch Sportlichkeit, den sein Äußeres nicht auf den ersten Blick zu erkennen gibt, jedenfalls nicht mit der grauen Metalliclackierung unseres Exemplars. Trotz der 17-Zoll-Räder im Zehn-Speichen-Design mit 225/50er Reifen wirkt unser Exemplar eher wie ein Beispiel für automobiles Understatement. Er überrascht eben eher mit Leistung und weniger mit Äußerlichkeiten, wobei man dem Astra Sports Tourer gern eine modern-dynamische Erscheinung attestiert.

Seine wahren Qualitäten liegen unter dem Blech und Innen. Dazu zählen auch die 500 Liter Volumen des Kofferraums, der sich auf 1550 Liter erweitert lässt, die 500 Kilogramm Zuladung und die zusätzlichen Staumöglichkeiten bis hin zum aus dem hinteren Stoßfänger herausziehbaren, aufpreispflichtigen Fahrradträger (Flexfix).

Das Gesamtpaket kann sich auch bei denen sehen lassen, die den Sports Tourer nicht als Familien- sondern als Nutzfahrzeug einsetzen wollen. Die kommen dann – je nach Ausstattungsvariante und Bereitschaft, Extras zu finanzieren – in den Genuss der Fahrer-Assistenzsysteme, die Opel in dieser Fahrzeugklasse recht preisgünstig anbietet. Damit lässt sich dann ein Komfort- und Sicherheitsniveau erreichen, bei dem so Mancher der Wenig-Wohlwollenden auf der A2 ebenfalls das Nach- und nicht nur das Hinterhersehen hat. Zeitgenossen, die zum Einsatz ihrer Hupe aus pädagogischen Gründen neigen, sollten sich das gegenüber den Wenig-Wohlwollenden besser verkneifen. Denn die plärrt wie die eines Kleinstmobils. Das Geräusch versaut den besten Eindruck. (ampnet/Sm)

Daten Opel Astra 1.6 Sidi Turbo Sports Tourer

Länge x Breite x Höhe (m): 4,70 x 1,81 x 1,54
Radstand: 2,69 m
Motor: R4-Benziner, 1598 ccm, Turbo, Direkteinspritzung
Leistung: 125 kW / 170 PS bei 6000 U/min
Maximales Drehmoment: 280 Nm von 1800 – 3200 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 220 km/h
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 8,8 s
Leergewicht / Zuladung: 1550 kg / 540 kg
Maximale Anhängelast, gebremst: 1450 kg
Räder / Reifen: 7 J x 17 / 225/50 R 17
Verbrauch (Schnitt nach EU-Norm): 6,1 l / 100 km
Kohlendioxid pro Kilometer: 144 g (Euro 5)
Effizienzklasse: C
Gepäckraumvolumen: 500 l – 1550 l
Wendekreis: 10,9 m
Basispreis: 27.370 Euro

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