Als Porsche nach Wendelin Wiedekings gescheitertem Übernahmeversuch im VW-Markenverbund unterschlüpfen musste, waren die Befürchtungen groß: Die Seele der Marke stehe auf dem Spiel, es sei vorbei mit der Unabhängigkeit. Doch wer glaubte, dass in Zuffenhausen fürderhin kleine Brötchen gebacken würden, darf sich eines Besseren belehren lassen: Porsche steht im Konzernverbund hervorragend da – und prägt in Zukunft sogar andere Marken. Das ist mal wieder das Ergebnis unserer Mitfahrt in einem Prototyp des nächsten Porsche Panamera.

Mit dem Panamera der zweiten Generation lanciert Porsche gleichzeitig den Modularen Standard-Baukasten, eine Architektur, die über die eigene Marke hinaus zum Einsatz kommen wird. Die Plattform hat mit dem Vorgängermodell kaum noch etwas gemeinsam: Sie ist leichter, steifer und sie kommt mit einer anspruchsvollen Elektronik-Architektur, die selbst im Umfeld der automobilen Oberklasse Maßstäbe setzt.

Der Panamera bietet eine Rundum-Vernetzung elektronischer Fahrdynamik- und Assistenzsysteme, bei der die Systeme permanent kommunizieren und interagieren – vom Stauassistenten und semi-autonomen Fahrfunktionen über die Smartphone-Vernetzung bis hin zur elektrischen Servolenkung und der optionalen Drei-Kammer-Luftfederung.

Bedient wird das alles über eine komplett neu gedachte Bedienoberfläche. Fuhr Porsche beim Vorgängermodell einen ungewöhnlich konservativen Ansatz mit zahlreichen Knöpfen und Schaltern, so vollzieht die Marke mit dem neuen Modell einen gewaltigen Sprung nach vorn: Neben einer ausgefeilten Spracheingabe gibt es im Panamera einen frei konfigurierbaren 12,3-Zoll-Zentralbildschirm mit Annäherungssensorik, der oberhalb der Mittelkonsole sitzt und eine Mittelkonsole mit berührungsempfindlicher Oberfläche. Zahlreiche Funktionen können nur noch hier angewählt werden. Porsche verzichtet großzügig auf redundante Tasten. Interessanterweise hat Porsche auf die kitschig wirkenden 3D-Effekte, mit denen andere Hersteller gerne auftrumpfen, fast vollständig verzichtet.

Die Eingabe von Navigationszielen ist ausgesprochen innovativ. Das intelligente System erkennt die Intention des Fahrers, gespeist durch verschiedene Parameter, bereits im Voraus. Das Kombiinstrument vor dem Fahrer wird durch den zentral angeordneten Drehzahlmesser geprägt; links und rechts sind Sieben-Zoll-Bildschirme montiert. Trotz des völlig neuen Bedienkonzepts hat Porsche die ästhetische Anmutung des Vorgänger-Cockpits beibehalten (was leider auch für die optisch störende Stoppuhr gilt, die beim Sport-Chrono-Paket obligatorisch ist).

Das Konzept der berührungsempfindlichen Oberfläche setzt sich auch im Fond fort, jedenfalls, wenn der Panamera entsprechend spezifiziert wurde. Dort sitzt man übrigens ausgesprochen kommod: Die viertürige Limousine ist ebenso großzügig geschnitten wie das Vorgängermodell und bietet damit Platzverhältnisse der Spitzenklasse. Die coupé-ähnlich gezeichneten Limousinen vom Schlage eines Audi A7, BMW 6er Gran Coupé oder Mercedes-Benz CLS können hier keinesfalls mithalten. Übrigens ist auch der Kofferraum gewachsen – von 445 auf stolze 500 Liter.

Während der neue Panamera von innen größer wirkt, als es sein Design suggeriert, so scheint die Limousine förmlich zu schrumpfen, wenn der Fahrer am Volant die Zügel schießen lässt. Das neuentwickelte Fahrwerk ist sportlich ausgelegt, erlaubt jedoch vor allem in Verbindung mit der optionalen Drei-Kammer-Luftfederung eine große Spreizung der Fahrcharakteristika. Wenn es sportlich zugehen soll, schrumpft die Seitenneigung praktisch auf null, und der Panamera fährt sich wie ein Supersportwagen. Andererseits kann man auch sehr komfortabel unterwegs sein.

Für Vortrieb sorgen komplett neuentwickelte Maschinen aus dem Konzernbaukasten. Zum Marktstart kommt der Panamera mit einem 440 PS starken 3,0-Liter-V6-Biturbo und einem 550 PS starken 4,0-Liter-V8-Biturbo sowie einem 4,0-Liter-V8-TDI mit rund 420 PS auf den Markt. Später werden ein 3,0-Liter-V6 mit Single-Turbo sowie ein 3,0-Liter-V6-TDI nachgereicht. Außerdem bringt Porsche einen Plug-In-Hybrid, mit dem man auf die mit dem Supersportwagen 918 gewonnenen Erfahrungen zurückgreifen will. Beim später kommenden Turbo S wird der V8-Turbo-Ottomotor auf gut 600 PS leistungsgesteigert. Auch in Sachen Längsdynamik lassen sich die Stuttgarter von niemandem etwas vormachen, zumal auf die Vmax-Abregelung traditionell verzichtet wird.

Die Prototypen-Fotos können es nur unvollkommen vermitteln: Porsche hat die unvorteilhafte Formgebung des Vorgängermodells nachhaltig korrigiert. Während die Abmessungen beinahe identisch sind, ist der Radstand um 30 Millimeter gewachsen; das Dach fällt stärker ab und ist oberhalb der Fondpassagiere um stolze 20 Millimeter niedriger, ohne entsprechende Einbußen im Innenraum. Die Fenstergraphik erinnert nunmehr an den 911, und mit horizontalen LED-Elementen in den Scheinwerfern und den flachen Rückleuchten wirkt der Panamera kraftvoller und schöner als bisher. Die Formgebung könnte in Zukunft zum Kaufargument werden.

In Zukunft wird es wieder eine Langversion geben und erstmals auch ein viertürigen Kombi, den die Stuttgarter bereits 2012 mit der Studie Sport Turismo vorweggenommen haben. Sogar ein Zweitürer ist denkbar.

Mit seinem neuen Bedienkonzept, nachgeschärftem Design und überragender Fahrdynamik dürfte es dem Panamera leichtfallen, seine Position im Markt nicht nur zu erhalten, sondern nochmals auszubauen. Offizielle Bilder gibt es Ende Juni, ausgeliefert wird das Flaggschiff vermutlich ab Anfang 2017.

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