Für Frank van Meel ist das M der „stärkste Buchstabe der Welt“. Und wenn man sich das neueste Produkt der Firma anschaut, der er vorsteht, fällt es nicht schwer, das zu glauben: Der BMW X6 M hat 423 kW / 575 PS, noch eine Schippe mehr als das Vorgänger-Modell, das ebenfalls von der M GmbH getunt wurde.

Der bärenstarke Allradler kommt für die Marketing-Strategen von BMW genau zur rechten Zeit. Der M GmbH sind die USA der wichtigste Markt weltweit und dort ist der Sprit zurzeit so billig wie schon lange nicht mehr. Deutlich weniger als zwei Dollar müssen an der Zapfsäule im Schnitt für eine Gallone (3,8 Liter) Benzin bezahlt werden, umgerechnet nicht mehr als 40 Euro-Cent je Liter. Da wundert es nicht, dass Autos, deren Verbrauch im Alltagsbetrieb zuverlässig zweistellig ist, wieder Konjunktur haben. Und deshalb kann M getrost mit einem neuen Absatzrekord rechnen, auch wenn 2014 mit rund 45.000 Auslieferungen weltweit bereits eine neue Bestmarke aufgestellt wurde.

Ab 11. April werden die deutschen Kunden die ersten der im US-Werk Spartanburg gefertigten X6 M bekommen. Man erkennt sie an den großen Lufteinlässen an der Front, den neuen Sportsitzen mit integrierten Kopfstützen sowie dezenten M-Applikationen an den vorderen Kotflügeln und am Heck. Die skulpturale Modellierung der Heckpartie lässt eine nach unten offene Spange erahnen, die das Fahrzeug satt und breit auf die Straße stellt. Der etwas kantige und weniger emotional aufgeladene X5 M rollt zeitgleich an.

Antrieben wird das fünftürige SUV-Coupé von einem 4,4 Liter großen V8-Turbomotor, dessen 20-PS-Zuwachs mit einer Steigerung des Drehmoments um 70 Newtonmeter auf 750 Nm einher geht. Die Anordnung der Lader zwischen den Zylinderbänken dient einer kompakten Bauweise, erfordert aber auch ein ausgefeiltes Temperatur-Management. Fünf Kühlkreisläufe mit ebenso vielen Pumpen sowie zehn Kühler sorgen für eine ausgeglichene Temperierung.

Die für die Portionierung der Kraft zuständige achtgängige Steptronic wurde modifiziert und der höchste Gang länger übersetzt. Für ein explosionsartiges Anfahrgefühl sollen die zylinderbankübergreifenden Abgaskrümmer sorgen bei denen jeweils zwei zusammengeführte Abgasströme die beiden Twin-Scroll-Turbolader vierfach antreiben. Heraus kamen beeindruckende Fahrleistungen. In 4,2 Sekunden ist im Bedarfsfall der Sprint auf 100 km/h erledigt – ein Wert, der sogar im Sportwagen-Segment nur selten erreicht wird. Nur sind dort die Autos im Schnitt 800 bis 1000 Kilogramm leichter als das massige Über-SUV. Von Hause aus ist der X6 M bis zu 250 km/h schnell, kann aber noch zulegen. Kunden, die ein „Drivers Package“ buchen, lassen die elektronische Bremse bis auf 280 km/h hinausschieben. Eingefangen wird das Temperament von Bremsen aus Verbund-Werkstoff, die neu und sogar serienmäßig sind.

Um die Kraft adäquat auf die Straße zu bringen, wurden gemeinsam mit Pirelli und Michelin neue Reifen für 20- und 21-Zoll-Felgen entwickelt. Abweichend vom Vorgänger sind sie nicht in Run-Flat-Technologie ausgeführt, was einerseits den Fahrkomfort fördert und andererseits Gewicht einspart. Insgesamt ist das Fahrzeug laut BMW trotz größerer Produktsubstanz um etwa 40 Kilogramm leichter geworden.

Da der Athlet unter den bayerisch-amerikanischen SUV so offensiv auf Leistung spielt, probiert man ihn zweckmäßiger Weise gleich auf der Rennstrecke aus. Dort beeindruckt er durch spontane Leistungsentfaltung, agiles Handling und präzise Reaktion auf Lenkbefehle. Freilich kann er seine anabolika-verdächtige Muskelmasse nicht ganz kaschieren und gibt bei scharfer Kurvenfahrt eine gewisse Karosserieneigung zu erkennen.

Das ist wenig überraschend, denn trotz des gegenüber dem Standardmodell abgesenkten Fahrwerks liegt der Fahrzeugschwerpunkt noch immer jenseits von 60 Zentimetern über Grund – das sind rund 20 Zentimeter mehr als beispielsweise bei einem BMW 2er Cabrio. Die mit dem letzten X6 M eingeführten Abstützpolster an der Mittelkonsole lernt man daher in Linkskurven wieder neu zu schätzen. Bei Rechtskehren muss das linke Knie des Fahrers die Fliehkräfte auffangen, weshalb man bei BMW ruhig über ein weiteres Polster an der Türverkleidung nachdenken könnte.

Der Allradantrieb ist heckbetont ausgelegt, und er lässt bei entsprechender Vorwahl im Fahrstabilitäts-Programm vorsichtige Driftwinkel zu. Im Extremfall kann die Elektronik das komplette Antriebsmoment an die Vorderachse schaufeln. Trotz der hohen bewegten Massen reagiert die Fuhre sensibel auf Lenkbefehle und stellt selbst in verschärfter Gangart keine zu großen Anforderungen an Fahrerin oder Fahrer. Während bei gemächlicher Autobahnfahrt durchaus Verbräuche mit einer zehn vor dem Komma erzielbar sind, kann der Ausflug auf die Rennpiste leicht mit dem zweieinhalbfachen geahndet werden. Offiziell gibt BMW den Verbrauch mit 11,1 Litern je 100 Kilometer (nach EU-Norm) an.

Die aktuellen Spritpreise lassen dies zwar weniger schmerzhaft erscheinen, dennoch bleibt der X6 M ein Sonderfall für PS-hungrige und gleichzeitig zahlungskräftige Kunden. Das Fahrzeug kostet in Grundausstattung (mit 20-Zoll-Felgen) 117.700 Euro, der X5 mit dem starken Zusatzbuchstaben kostet 114.300 Euro.

Daten BMW X6 M

Länge x Breite x Höhe (in m): 4,88 x 1,98 x 1,75
Radstand (m): 2,93
Wendekreis: 12,8 m
Motor: V8-Zyl.-Twin-Turbo-Motor, 4395 ccm
Getriebe: 8-Gang-M-Steptronic (ZF)
Leistung: 423 kW / 575 PS bei 6000 U/min
Max. Drehmoment: 750 Nm von 2200 bis 5000 U/min
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h (280 km/h optional)
Beschleunigung 0 auf 100 km/h: 4,2 Sek.
Tankinhalt: 85 Liter
ECE-Durchschnittsverbrauch: 11,1 Liter
CO2-Emissionen: 258 g/km (Euro 6)
Luftwiderstandsbeiwert: 0,38
Leergewicht / Zuladung: min. 2275 kg / max. 695 kg
Kofferraumvolumen: 650 – 1850 Liter
Bereifung: vorn 285/40 R 20 / hinten 325/35 R 20
Preis: 117.700 Euro

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